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Leerbach Quellen (Jannings und Schwarthoffs Quelle)

Der Bereich des Leerbaches, südlich des zur Stadt Horstmar gehörenden Dorfes Leer, ist naturgeschichtlich und kulturgeschichtlich ein besonderes Kleinod im Münsterland. Der Bach, ein Nebenflüsschen der Steinfurter Aa, entspringt in mehreren Quellnischen, die zu den schönsten und größten im Münsterland gehören und zu den bedeutenden Naturdenkmälern Deutschlands gerechnet werden.

Die größte Quellnische befindet sich oberhalb des Schulzenhofes Janning (heute Wenning) in Leer mit einem Durchmesser von 8 bis 10 Metern und bis zu 14 Quellen im Randbereich. Die Wasserschüttung beträgt 25 l/sec in Trockenzeiten und kann bis auf etwa 120 l/sec nach längeren Regenperioden ansteigen. Nur nach dem extrem trockenen Sommer 1976 war die Quelle erstmals ganz trocken. Die ganz in der Nähe gelegene Quelle oberhalb des Schulzenhofes Schwarthoff ist weniger eindrucksvoll und ergiebig. Die Abläufe beider Quellen kommen oberhalb der ehemaligen Bleicherei Sickert zusammen und bilden den Leerbach, der oberhalb Nünningsmühle in die Steinfurter Aa fließt.

Die Quellen gehören zu einem Quellhorizont, der in knapp 90 Metern über NN rund um den Schöppinger Berg verläuft und zahlreiche größere und kleinere Quellen aufweist. Der Schöppinger Berg ist geologisch gesehen der nördlichste Höhenzug der Baumberge, der sich zwischen Horstmar und Schöppingen von Südsüdosten nach Nordnordwesten erstreckt und im Bereich der Horstmarer Antonius-Kapelle mit 158 Metern seinen höchsten Punkt hat. Er besteht aus verschiedenen, fast waagerecht angeordneten Schichten unterschiedlicher Härte und Dichte, die sich in der erdgeschichtlichen Epoche des Campans (Oberkreide) gebildet haben. Für den Quellhorizont rund um den Berg entscheidend ist, dass die oberen, sog. Coesfelder Schichten, des Obercampans vorwiegend aus Kalksandsteinen und Kalkmergelsteinen in klüftiger Anordnung bestehen, die gut wasserdurchlässig sind, während die darunter befindlichen mergeligen Schichten des Untercampans, die Osterwicker Schichten, sehr dicht und wasserundurchlässig sind. Da zudem die Grenze zwischen beiden Schichten in knapp 90 Metern über NN leicht muldig ausgebildet ist, sammelt sich das durch die Coesfelder Schicht hindurch sickernde Wasser auf der wasserstauenden Unterlage (Osterwicker Schicht) und bildet hier einen ergiebigen Grundwasserhorizont. Wo nun dieser Wasserhorizont durch Taleinschnitte „angezapft“ wird, fließen permanent wasserführende Quellen.

Quellen mit anschließenden Bachläufen bildeten eine wichtige Grundlage der Besiedlung, denn Mensch und Vieh versorgten sich vor allem aus Quellen und Bächen mit Wasser. Man mied also die trockenen Höhen, denn dort konnte auch durch Brunnen keine ausreichende Wassermenge erschlossen werden. Schon die Sachsen haben am Schöppinger Berg gesiedelt, denn u. a. in Ostendorf am Hofe Wilming entdeckte man ein Gräberfeld aus der Zeit zwischen 600 und 800 n. Chr. und fand in Ostendorf auch ein „Sachs“, eine einseitige Hiebwaffe, die man auf den Namen des Sachsenvolkes zurückführt. Die Franken, die unter Karl dem Großen die Sachsen besiegten, richteten hier befestigte Höfe ein. Daraus entwickelten sich die Burg in Horstmar und der zur Abtei Werden an der Ruhr gehörende Haupthof (Abbating-Hof) in Leer. Der Hof wurde zum Zentrum des fränkischen Fronhofbezirkes Leer-Schapen. Davon zeugt ein Silberdenar Karls des Großen aus jener Zeit, der in Ostendorf gefunden wurde.

Kulturgeschichtliche Bedeutung für den Siedlungsraum rund um den Berg hat der Quellhorizont des Schöppinger Berges, weil das Wasser der Quellen zahlreiche Wassermühlen angetrieben hat. Von ihnen sind meist nur noch Reste vorhanden. Mühlen sind ein entscheidender Teil der Technik- und Kulturgeschichte. Eindrucksvoll erhalten sind noch die Mühlenanlagen unterhalb der Leerbach-Quelle. Nur wenige hundert Meter unterhalb der Quelle befindet sich schon seit Jahrhunderten am Hofe Janning eine Wassermühle, die 1845/46 zur heutigen äußeren Form ausgebaut wurde. Das oberschlächtige Wasserrad von knapp 4 Metern Durchmesser wurde Anfang der 60er Jahre entfernt und während der 2011 abgeschlossenen Restaurierung erneuert. Nur einige hundert Meter weiter bachabwärts liegt eine zweite Wassermühle, die ursprünglich zum Hofe Wilming gehörte. An deren Stelle wurde 1848 eine kombinierte Wind-/Wassermühle und bald danach auf der gegenüberliegenden Seite eine Ölmühle errichtet, um alle hier vorhandenen Naturkräfte zu nutzen. Die Flügel verlor sie um 1910 und der Windmühlenteil wurde 1928 ein Opfer eines Sturmes. Das oberschlächtige Wasserrad mit über 4 Metern Durchmesser wurde 1965 durch eine Francis-Turbine ersetzt, bei der Restaurierung ab 1995 aber wieder erneuert. Auch der Hof Schulze Greving, heute Kajüter, nutzte einst das Wasser des Baches für den Antrieb einer Wasserturbine, die den Hof mit Energie versorgte. Das Wasser des von Schwarthoffs Quelle gespeisten Baches wurde am Hofe Schulze Schwarthoff gestaut und trieb über ein oberschlächtiges Wasserrad, welches nicht mehr vorhanden ist, landwirtschaftliche Geräte an und versorgte den Hof mit Strom.

Die Bäche beider Quellen vereinigen sich östlich des Dorfes Leer, wurden dort aber schon im 19. Jahrhundert in mehrere künstlich angelegte Gräben in der Bauerschaft Lockhusen aufgeteilt, um Wasser für die dortigen Rasenbleichen - einst 10 Betriebe mit bis zum 30 Beschäftigten - zu liefern. Als letzte blieb davon die Bleicherei Sickert übrig, die 1987 ihren Betrieb einstellte.